Eine Reportage über die so genannten nationalen Roma-Strategie der ungarischen Regierung und deren Auswirkungen in Gemeinden mit Bürgermeistern der rechtsextremen Jobbik. Die Maßnahmen führen u.a. dazu, dass ungarischen Roma nach Kanada fliehen und dort politisches Asyl beantragen.
Von Jürgen Weber.
Zusammen kamen die beiden nationalen Kräfte Ungarns, Fidesz und Jobbik, vor zwei Jahren auf über 80% der Wählerschaft. Genügend Potenzial für den 33-jährigen Rechtsaußen Gábor Vona, vor den 700 Jobbik-Delegierten die Machterlangung im Budapester Parlamentsgebäude an der Donau zum obersten Ziel der Partei auszurufen. Vor ihm am Rednerpult prangt auf den Farben der ungarischen Flagge der Schriftzug „Nur die Nation!“. Die Programmatik seiner Partei dreht sich dabei um ein einziges Thema: Die so genannte Roma-Kriminalität.
Auf der einen Seite die große ungarische Nation, auf der anderen die Schuldigen an der Krise des Landes. Nur in einem solchen Klima ist erklärbar, dass im Budapester Nehru Park das Denkmal für die im Holocaust ermordeten Roma mit Sprüchen wie „Zigeuner ins Gas“ und Hundekot beschmiert wurde. Bereits zum dritten Mal haben Bürgerinnen und Bürger das 2006 errichtete Denkmal von Schändungen gereinigt, weil sich Stadtverwaltung und Bezirk dafür nicht zuständig fühlen. Bei unserem Besuch ist das Mahnmal beschädigt. Der Jobbik-Vorsitzende Gábor Vona machte auf dem jüngsten Parteitag keinen Hehl daraus, wie er sich die „Lösung der Zigeunerfrage“ vorstellt. Am Beispiel Gyöngyöspata habe die Öffentlichkeit „Jobbik in Aktion und aus erster Hand erleben können“. Wo der Fidesz versage, schreite Jobbik zur Tat, so deren Vorsitzender. Wie diese Taten aussehen sollen, lassen die Rechtsradikalen nicht offen. Demnach will Jobbik eine landesweite „Bürgermiliz“ aufstellen, die für „Ruhe und Ordnung“ sorgen soll. Alle Roma sollen zur Arbeit eingeteilt werden, wer sich sträubt, kommt in Lager, auch „Maßnahmen zur Geburtenkontrolle“ bei Romafrauen, um die „ausufernden demographischen Verschiebungen zum Nachteil des Ungarntums“ aufzuhalten, wurden bereits vorgeschlagen. Die Kinder sollen den Eltern entzogen und in Spezialheimen zu guten Ungarn erzogen werden. Vorschläge, die auf breiten, positiven Widerhall bei großen Teilen der Bevölkerung stoßen, wie die deutschsprachige Zeitung „Pester Lloyd“ aus Budapest schreibt. „Habt ihr das verlassene Haus da drüben gesehen“, János Farkas deutet aus dem Fenster die Straße hinauf, „sie sind in Kanada“. In Gyöngyöspata haben rund 60 Roma das Wenige, was sie hatten, verkauft und in Kanada politisches Asyl beantragt, berichtet er.
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Rechtsextremismus und völkisches Denken in Ungarn:
“Ein irrsinniges Gewaltpotenzial”
http://www.cafebabel.de/article/32959/ungarn-wahlen-rechtsextremismus-voelkisch-romahass.html