Kategorien
ROMA

Statement der österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück und FreundInnen zur Repression gegen die Künstlerin Marika Schmiedt

Fassungslos haben wir die aktuellen Entwicklungen rund um die Demontage des jüngsten Kunstwerks von Marika Schmiedt – die langjähriges aktives Mitglied der österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück und FreundInnen ist – verfolgt.

Marika Schmiedts Ausstellung „Die Gedanken sind frei. Angst ist Alltag für Roma in EUropa“ thematisiert anhand von 31 im öffentlichen Raum installierten Plakatcollagen die Verfolgung und Diskriminierung der Rom_nija im Europa der Vergangenheit und Gegenwart.

Noch vor der Eröffnung der von der Linzer Stadtwerkstatt und der Galerie Hofkabinett im Rahmen des Altstadtfests veranstalteten Ausstellung kam es zu einem rassistischen Übergriff: Die Künstlerin und eine Mitveranstalterin wurden von Passant_innen beschimpft und massiv bedroht, die Ausstellung beschädigt.

Aber damit nicht genug: Genau zwei Tage waren die Collagen der Öffentlichkeit zugänglich, bis die Ausstellung am Vormittag des 16. April von Polizeibeamten_innen demontiert und dabei zerstört wurde. Laut polizeilicher Auskunft stufte der „Verfassungsschutz“ die Collagen als „rassistisch“ ein.

Absurderweise wird also gegen Marika Schmiedts antirassistische Arbeiten unter dem Deckmantel des Antirassismus agiert. Absurd ist dies, weil die Künstlerin seit vielen Jahren antirassistische und antifaschistische Arbeit macht und sich insbesondere mit  Kontinuitäten der Diskriminierung und rassistischen Verfolgung von Rom_nija in Europa auseinandersetzt und diese in etlichen Arbeiten thematisiert. In enger Zusammenarbeit und Verbundenheit mit der Lagergemeinschaft erarbeitete sie so zum Beispiel in der 2009 veröffentlichten Filmreihe „Visible“ fünf Portraits österreichischer Überlebender des Konzentrationslagers Ravensbrück. Darin richtet sie den Blick auch auf die Lebenssituation der nachfolgenden Generationen – im Versuch, die Auswirkungen der Haftzeit in den Konzentrationslagern im Heute sichtbar zu machen und die Frage nach den Spuren des Holocaust in der zweiten, dritten Generation zu stellen.

Mittlerweile wird gegen die Künstlerin auf bekannten rechtsradikalen Internet-Plattformen gehetzt – sogar Portraits von ihr wurden gepostet – während die Polizei zunehmend unter Rechtfertigungsdruck dieser voreiligen Aktion gerät.

Wir sind schockiert.

Schockiert darüber, dass Marika Schmiedts klarer Blick auf rassistische Zustände  Rassismusvorwürfe ihr gegenüber hervorbringt.

Schockiert über die Konfrontation mit dem gleichzeitig so absurden, wie altbekannten Reflex der Täter-Opfer-Umkehr. Einem Reflex (um nicht von einer Strategie zu sprechen), auf den eine_r im postnazistischen Österreich augenscheinlich unweigerlich stößt, wenn es um die Thematisierung eines rassistischen Normalzustandes und des Vorhandenseins von Kontinuitäten der Diskriminierung geht.

Der Untertitel der Ausstellung weist auf die alltägliche Erfahrung der Angst von Rom_nija hin. Wir sind schockiert darüber, wie „gut“ sich die Ausmaße der Repression gegen die Präsenz der Collagen im Öffentlichen Raum – und damit auch gegen den so dringenden Widerstand – in das im Untertitel der Ausstellung bereits benannte beängstigende Klima einreihen.

Wir sind schockiert über das erschreckende Zusammenspiel von rassistischen Übergriffen Einzelner und der Diskriminierung auf struktureller Ebene durch Polizeibehörden, das hier deutlich sichtbar wird.

Wir schließen uns folgender Feststellung – wie sie in der von Karl Öllinger und Freund_innen am 14.05.2013 gestellten parlamentarischen Anfrage formuliert wurde –
an und bringen unser Entsetzen über die Vorgänge zum Ausdruck.

Wenn künstlerische Kritik an Hetze und Rassismus – möglicherweise wegen der Beschwerde einer Passantin oder wegen der Sachverhaltsdarstellung einer Anwältin – ohne ein rechtsstaatliches Verfahren durch die Polizei verhindert wird, indem die Exponate abgenommen und vernichtet werden, dann ist nicht nur der Rechtsstaat in Gefahr, sondern auch die verfassungsmäßig garantierte Freiheit der Kunst.

Darüber hinaus schließen wir uns der Forderung der Stadtwerkstatt nach einer offiziellen Entschuldigung von Polizei und Verfassungsschutz und einer Neuinstallation der Ausstellung “Die Gedanken sind frei” von Marika Schmiedt in der Eingangshalle der Bundespolizeidirektion Linz, Nietzschestraße an und fordern die restlose Aufklärung der durch die Polizei vorgenommenen Demontage. Außerdem erwarten wir gespannt die Beantwortung der gestellten parlamentarischen Anfrage.
http://www.ravensbrueck.at/

Vernissage am Baustellenzaun