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Ungarn/Tod dem Hühnerdieb…

Das neue Strafrecht in Ungarn als Instrument der Politik

Ungarn bekommt ab kommendem Jahr ein neues Strafrecht. Es folgt, wie alle Gesetze dieser Regierung, der politischen Mission ihrer Protagonisten. Dem Volk wird etwas fürs „Gerechtigkeitsempfinden“, eine Law-and-Order-Show geboten, dabei schielt man auf die Wähler der extremen Rechten. Strafen werden daher verschärft, „Hühnerdiebe“ dürfen künftig erschossen werden, „Selbstverteidigung“ wird „genauer“ geregelt, Kinder gehen ins Gefängnis, das Verfassungsgericht wird ein weiteres Mal entmannt. Und: die Stephanskrone ist nun auch justiziabel.

Sterben demnächst in Ungarn Menschen, weil sie Holz oder Äpfel klauen?

Was ändert sich? Die Strafbemessungsgrenzen werden ausgeweitet, dass durchschnittliche Strafmaß wird angehoben, vor allem für schwerwiegende Verbrechen, einschließlich Korruption und Amtsmissbrauch, aber auch für Wiederholungstäter bei kleineren Vergehen. Besonders streitbar ist ein Passus zum Recht auf Selbstverteidigung, die wörtlich „als gerechtfertigt gilt, bei nächtlichen Angriffen (tagsüber also nicht? Anm.) durch bewaffnete Personen oder Gruppen oder zur Abwehr bei bewaffnetem Überfall, gemeinschaftlichem Einbruch und Hausfriedensbruch, einschließlich Gärten.“ Übersetzt: Der tödliche Schuss auf einen „Hühnerdieb“ (in Ungarn Synonym für „Zigeuner“) dürfte zukünftig straffrei bleiben, Missverständnisse eingesch(l)ossen.

Möglicherweise sterben demnächst in Ungarn also Menschen, weil sie Holz oder ein paar Äpfel klauen. Strafrechtsexperten haben diesen Passus – belegt mit Beispielen aus anderen Ländern – bereits als für die Prävention sinnlos bewertet, mithin ist er ein rein politisches, ja wahltaktisches Zugeständnis an die durch Neonazi-Garden aufgepeitschte Angst vor „Zigeunerkriminalität“. Juristen bemängeln zudem die missverständlichen Formulierungen, die gewaltbereite Personen geradezu zum Missbrauch einladen könnten.

Bürgerrechtler und Romahilfsorganisationen sind entsetzt

Besonders kritisch wird auch die Absenkung der Strafmündigkeit von 14 auf 12 bewertet, ein Schritt, der von zehn Bürgerrechtsgruppen in einer Erklärung scharf kritisiert wurde und als „gezielt“ auf die Romaminderheit zugeschneidert betrachtet wird, womit Jobbik die Regierungspartei ein weiteres Mal „vor sich hertreibt“. Während auf der einen Seite durch Segregation im Schulbereich, generelle Ausgrenzung aus der Gesellschaft, mangelnde Berufsperspektiven wegen fehlender Angebote und diskriminatorischen Umgang mit diesen Jugendlichen durch die Behörden nichts dafür getan werde, das Abgleiten in Clanstrukturen zu durchbrechen und den Weg in die Kriminalität zu verhindern, wird „zynischerweise“ die Bestrafung „auf Kinder ausgedehnt“.
Weiterlesen: Pester Lloyd 

 

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