Dr. Elisabeth Brainin
Fachärztin f. Psychiatrie u. Neurologie
Psychoanalytikerin
Wien, 7.8.2015
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Horsak!
Soeben habe ich Ihr Antwortschreiben an Frau Marika Schmiedt gelesen und bin empört. Ich kann durchaus verstehen, dass man über Kunstgeschmack unterschiedlicher Meinung ist, aber Ihre Begründung für die Ablehnung der Kunstinstallation von Marika Schmiedt hat mit Kunstauffassung nichts zu tun.
Sie schreiben: „…möchte mich aber strikt gegen die Titulierung „dunkles Kapitel der Ortsgeschichte“, oder „die besondere Rolle, die Kirchstetten bei der Umsetzung des Nationalsozialismus, sowie der maßgeblichen Beteiligung am Holocaust der Roma spielte“, verwahren.“
Und weiters schreiben Sie: „Aber jetzt unser Kirchstetten als besonderes Beispiel herauszupicken und quasi nach 70 Jahren neuerlich an den Pranger zu stellen, dagegen verwehre ich mich als Gemeindeoberhaupt vehement. Wir sind eine Dichtergemeinde und sind stolz darauf, Heimat für Kultur in all ihren Facetten und in ihrem breiten Spektrum zu sein.“
Gerade weil Sie in einer „Dichtergemeinde“ Bürgermeister sind, ist Ihre Argumentation mehr als zweifelhaft. Auden und Weinheber in einem Atemzug zu nennen, halte ich fast für blasphemisch. Weinheber ist nicht nur für seine Dichtkunst bekannt, sondern mindestens ebenso für sein bedingungsloses Engagement für den Nationalsozialismus. Auden ergriff für die Republikaner im spanischen Bürgerkrieg Partei und schrieb Gedichte gegen den Faschismus.
Sie wünschen ganz einfach nicht, dass der aus Kirchstetten deportierten Menschen gedacht werden soll! Eben weil die Bevölkerung Kirchstettens zu 95%, wie Sie schreiben aus der Nachfolgegeneration besteht, ist es überhaupt nicht zu verstehen, wieso Sie das Gedenken an die Ermordung eines Teils der Bevölkerung dieser Gemeinde durch die Nationalsozialisten ablehnen. Fühlen Sie sich schuldig, für das, was den Mitbürgern Ihrer Gemeinde angetan wurde? Kirchstetten ist deshalb ein besonderer Ort, weil dort eines Weinhebers gedacht wird, der ein glühender Nationalsozialist war, aber keinesfalls der Roma und Sinti, die aus diesem Ort verschleppt und ermordet wurden. Diese Volksgruppe wurde als „Landplage“ gesehen, die es auszumerzen galt. Sie wollen die Erinnerung an diese Menschen und ihre Ermordung durch die Nationalsozialisten, die von Teilen der Bevölkerung unterstützt oder doch zumindest gut geheißen wurde „ausmerzen“!
Die „Dichtergemeinde“ ist auch eine Mordsgemeinde!
Ihre Argumentation gehört in die Schublade der 50er und 60er Jahre und ist einer österreichischen Gemeinde unwürdig!
Ich hoffe sehr, Sie überdenken Ihre Entscheidung nochmals angesichts der Proteste, die sich aus ihr ergeben werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Elisabeth Brainin