A. Kl. ⋅ Am Dienstag hat die schwedische Regierung ein «Weissbuch» über die Diskriminierung der Roma im 20. Jahrhundert publiziert. Dass Roma auch noch im 21. Jahrhundert diskriminiert werden, musste die finnische Romni Diana Nyman erfahren, die als Regierungsgast in einem Stockholmer Fünfsternehotel logierte, um bei der Präsentation dieser Schrift, bei deren Abfassung sie mitgewirkt hatte, eine Ansprache zu halten.
In Tracht der finnischen Roma abgewiesen
Als sie sich in der Tracht der finnischen Roma zum Frühstück begeben wollte, wurde ihr der Zutritt zum Speisesaal verwehrt, wie die Nachrichtenagentur TT berichtet. Zutritt hätten nur Hotelgäste, wurde ihr vom Personal beschieden. Als sie sich als Hotelgast auswies, wurde sie in die Lobby geschickt, wo ihr ein Kaffee gereicht wurde. «Hier ist es sehr viel angenehmer für dich», habe man ihr gesagt. Laut Presseberichten handelt das «Weissbuch» von systematischen Kränkungen und Übergriffen, denen Roma auch in Schweden ausgesetzt waren, von Diskriminierung am Arbeitsplatz, der Verweigerung von Wahlrecht, Schulbesuch, Kindergeld und Altersvorsorge sowie von rassenbiologischer Registrierung und Zwangssterilisierung. «Ein düsteres Kapitel der schwedischen Geschichte, für das wir uns schämen müssen», sagte Integrationsminister Erik Ullenhag im Radio. Ab den 1950er Jahren habe sich die Politik schrittweise geändert, aber die Vorurteile seien geblieben – wie das Beispiel tatsächlich zeigt. (http://www.nzz.ch/aktuell/panorama/roma-in-schweden-unerwuenscht-1.18271295)
Französischer Bürgermeister sorgt mit Roma-Beschimpfung für Empörung
Wegen der angeblichen Beschimpfung von Sinti und Roma mit Neonazi-Vokabular ist ein französischer Abgeordneter und Bürgermeister unter Beschuss geraten. Gilles Bourdouleix von der Zentrumspartei UDI sagte nach Angaben der Zeitung „Le Courrier de l’Ouest“ vom Freitag bei einem Streit mit Sinti und Roma: „Hitler hat vielleicht nicht genügend von ihnen getötet“. Parteichef Jean-Louis Borloo verurteilte die Äußerung und rief umgehend das höchste Parteigremium an, um über Konsequenzen zu beraten. UDI-Generalsekretär Jean-Christophe Lagarde forderte einen Parteiausschluss. http://www.welt.de/
Bürgermeister hetzt in Frankreich gegen Roma
Es ist ein abscheuliche Aufnahme: Ein französischer Bürgermeister wollte Roma auf einem Gelände nicht dulden und hat sich im Ton vergriffen.
Seine Äußerungen werden „ekelhaft und unhaltbar“ genannt. Weiterlesen
A French politician has caused outrage by suggesting that Adolf Hitler ‘did not kill enough’ Roma gypsies. In the latest ferocious attack on travellers, MP Gilles Bourdouleix stirred up memories of the Holocaust, when the Nazis sent thousands of gypsies to the gas chambers because Hitler believed them to be sub-human.
Mr Bourdouleix, who represents a constituency in the Maine and Loire region of west France, was visiting an illegal Roma camp in the town of Cholet, where he is deputy mayor, when he made the incendiary comments. Read more
Rechtsextreme zünden ein Roma-Haus an und schießen auf die flüchtenden Bewohner – solche Szenen spielten sich vor fünf Jahren in Ungarn ab.
Nun endet der Prozess gegen die Täter. Doch die Politik ignoriert die Opfer, die Geheimdienste schweigen zu ihrer Rolle.
Der Ort des Mordes liegt nur ein paar Meter entfernt. Erzsébet Csorba sieht ihn jedesmal, wenn sie vor die Tür ihres Hauses tritt. Eine Ruine steht da, der Rest des niedergebrannten Hauses, in dem ihr Sohn, ihre Schwiegertochter und ihre Enkel wohnten.
Jeden Tag seit damals denkt Erzsébet Csorba daran, wie sie ihren Sohn Róbert fand, blutend, im Schnee, und wie sie ihr später den kleinen Róbi ins Haus brachten, ihren Enkel, viereinhalb Jahre alt, tot, durchsiebt von Schrotkugeln. „Ich wache mit den Erinnerungen auf und gehe mit ihnen schlafen“, sagt die 49-Jährige. „Wie konnten sie das tun, einfach unschuldige Menschen umbringen?“
Das abgelegene Dorf Tatárszentgyörgy liegt 55 Kilometer südlich der ungarischen Hauptstadt Budapest. Am Ortsrand leben in ärmlichen Häusern einige Roma-Familien, die Csorbas wohnen im letzten Gebäude vor dem Waldrand. Am 23. Februar 2009 zündeten Rechtsextremisten das Haus von Róbert Csorba an und schossen mit Schrotflinten auf die Familie, als sie sich ins Freie retten wollte. Vater und Sohn starben, eine Tochter überlebte schwer-, die Mutter leichtverletzt.
Sechs Monate später, Ende August 2009, wurden die mutmaßlichen Täter gefasst, vier fanatische Rechtsextreme aus der südostungarischen Großstadt Debrecen. Bis dahin hatten sie seit 2008 insgesamt sechs Roma umgebracht und 55 Menschen, ebenfalls fast alle Roma, zum Teil schwer verletzt – eine terroristisch-rassistische Mordserie, wie Ungarn sie nie zuvor in seiner Nachkriegsgeschichte erlebt hatte.
„Die Morde haben die ungarische Gesellschaft nicht erschüttert“
In diesen Tagen nun geht nach über zwei Jahren und 170 Verhandlungstagen der Prozess gegen die vier Angeklagten zu Ende: Am kommenden Mittwoch dürfen die Brüder István und Árpád K., Zsolt P. und Isvtán Cs. ihr Schlusswort sprechen, spätestens Anfang August soll dann das erstinstanzliche Urteil fallen. An der Schuld der Angeklagten bestehen wenig Zweifel: Sie haben eingeräumt, an den Tatorten gewesen zu sein, nur die Morde bestreiten sie.
So grausam die Taten waren, so wenig öffentliche Reaktionen haben sie in Ungarn ausgelöst. Und so wenig ist auch das nahende Prozessende Gegenstand breiter Debatten. „Diese Morde waren Verbrechen gegen die Menschlichkeit, aber sie haben die ungarische Gesellschaft nicht erschüttert“, sagt der Roma-Politiker und Bürgerrechtsaktivist Aladár Horváth. „Von staatlicher Seite, von Seiten der politischen Elite hat sich niemand vor den Opfern und ihren Angehörigen verneigt, niemand hat Verantwortung übernommen, weder symbolisch, noch rechtlich, noch politisch, und keiner der Angehörigen hat eine nennenswerte finanzielle Hilfe erhalten.“
So fand etwa der ehemalige liberal-konservative Staatspräsident László Sólyom, in dessen Amtszeit die Morde verübt und die mutmaßlichen Täter gefasst wurden, kein Wort der Anteilnahme für die Opfer. Auch die Sozialisten, die während der Mordserie 2008/2009 regierten und großen Wert auf ihr antifaschistisches Image legen, gaben nur Standard-Worthülsen von sich.
Und natürlich blendet auch die heutige rechtskonservativ-nationalistische Regierungsmehrheit unter dem Premier Viktor Orbán das Thema aus – kein Wunder, sie will ihre Wählerschaft, die bis weit ins Rechtsaußen-Spektrum hineinreichen, nicht verschrecken. Einzig der Kulturminister Zoltán Balog rang sich vor kurzem eine Geste ab: Sein Ministerium zahlte das Begräbnis für Erzsébet Csorbas Mann Csaba, der im Februar dieses Jahres an Gram über den Mordanschlag verstorben war.
Die Geheimdienste schweigen
Der Mangel an öffentlicher Anteilnahme zeigt sich auch in den Ermittlungen gegen die „Roma-Mörder“ und im Prozess selbst. Inzwischen steht fest, dass es bei den Aktionen der Rechtsterroristen mindestens noch einen weiteren, womöglich mehrere Mittäter gab – doch sie fehlen auf der Anklagebank, und es ist unklar, ob die Ermittler weiter nach ihnen fahnden – aus Gründen der nationalen Sicherheit wird der Vorgang geheim gehalten.
Womöglich hätten einige Morde sogar verhindert werden können: Zwei Angeklagte wurden bis 2008, bis kurz vor Beginn der Mordserie, wegen rechtsextremistischer Aktivitäten geheimdienstlich überwacht, doch dann legten die Beamten den Vorgang zu den Akten. Ein weiterer Angeklagter schließlich war Informant des Militärgeheimdienstes. Doch Ungarns Geheimdienste schweigen bis heute über ihre Rolle bei den Morden.
Auch bei der Tatortsicherung spielten sich bisweilen ungeheuerliche Szenen ab: In Tatárszentgyörgy etwa versuchten Polizisten der Familie Csorba in der Mordnacht auszureden, dass es sich um einen Anschlag gehandelt habe, und urinierten in die Spuren am Tatort.
Technizistische Prozessführung
Prozessbeobachter wie der ehemalige liberale Parlamentsabgeordnete József Gulyás, der geheime Ermittlungsakten einsehen konnte, werfen den ungarischen Behörden mindestens Schlamperei vor, schließen aber nicht aus, dass Erkenntnisse über die Mordserie bewusst vertuscht wurden. Gulyás kritisiert außerdem, dass die mutmaßlichen Täter nur wegen Mordes angeklagt wurden, nicht wegen terroristischer Straftaten. „Es scheint, als ob der ungarische Staat und die ungarischen Behörden diese für sie peinliche Angelegenheit mit dem kleinstmöglichen Rummel hinter sich bringen wollen“, sagt Gulyás.
Der Journalist und Filmemacher András B. Vágvölgyi, der an fast allen Verhandlungstagen teilnahm, bemängelt die „technizistische Prozessführung“ durch den Richter László Miszori. „Politische Fragen spielten im Prozess kaum eine Rolle“, sagt Vágvölgyi. „Dabei hätte ein Gericht gerade in einem Land wie Ungarn, das sich in tiefen ideologischen und moralischen Wirren befindet, die Aufgabe, mit einem gewissen moralischen Gewicht aufzutreten.“
Erzsébet Csorba wünscht sich, dass die Angeklagten „niemals wieder das Tageslicht sehen“. Auch sie ist überzeugt, dass es noch mehr Täter gibt und dass sie frei herumlaufen. Sie, ihre Kinder und ihre Enkel leben noch immer in Angst in ihrem Haus am Waldrand. Erszébet Csorba würde am liebsten einen hohen Zaun um das Grundstück ziehen lassen, aber sie hat kein Geld dafür. Manchmal schrecken ihre halbwüchsigen Söhne und ihre kleinen Enkel nachts aus dem Schlaf hoch, weil sie Geräusche hören. „Schlaft weiter“, sagt Erzsébet Csorba dann, „es sind nur die Sträucher und Bäume, die im Wind rauschen.“ Im Stillen fragt sie sich, ob draußen wieder Mörder lauern. http://www.spiegel.de/politik/ausland/ungarn